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Das war der Neujahrsempfang 2018

Über 400 Gäste folgten beim Neujahrsempfang der Ingenieurkammer Niedersachsen am 31. Januar 2018 der Einladung von Präsident Hans-Ullrich Kammeyer in die Niedersachsenhalle des Hannover Congress Centrum HCC. Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Bildung und aus zahlreichen Unternehmen und Verbänden ließen sich auf Schwerpunktthemen zur Berufspolitik und Ingenieurverantwortung und zu neuen Herausforderungen für den Berufsstand ein.

In seiner Begrüßung zitierte Präsident Hans-Ullrich Kammeyer das seit 30.09.2017 geltende neue Ingenieurgesetz und dankte den politischen Unterstützern offen für das deutliche berufspolitische Signal Niedersachsens. Mit der Festlegung von 70 Prozent MINT-Studieninhalten als Voraussetzung für die Befugnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Ingenieur“ sei das aus Sicht der Ingenieurkammer hohe Maß an Sicherheit und Qualität nun gesetzlich festgeschrieben, so Präsident Kammeyer. Es stärkt das Vertrauen in die Ingenieurleistungen sowie den Verbraucherschutz und bestätigt zugleich den Anspruch, als Wissensstandort im weltweiten Markt mithalten zu wollen, ergänzte er.
Die gesellschaftlichen Herausforderungen befördern aktuell die Gratfindung in ethischen Fragestellungen allgemein, was Technik kann und darf, so Präsident Kammeyer weiter. Angesichts zunehmender Automatisierung und Digitalisierung griff er den rasant steigenden Technikanteil bis zum Einsatz von humanoiden Robotern in allen Lebensbereichen mit vielfältig verbundenen Auswirkungen auf. Diese neue Komplexität erfordere weiteren sorgfältigen und verantwortungsbewussten Umgang mit Technik. Die Aufmerksamkeit auf den Stellenwert der Freiberuflichkeit von Ingenieurinnen und Ingenieure lenkend, äußerte Präsident Kammeyer die Hoffnung, dass die in der vergangenen Legislaturperiode im Wirtschaftsministerium signalisierte Zustimmung zu eigenen Berufsausübungsrechten beibehalten bleibe, ehe er das Wort an die Niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza übergab.

Sie überbrachte die Jahreswünsche der Niedersächsischen Landesregierung in Vertretung für den Niedersächsischen Finanzminister und Stell. Niedersächsischen Ministerpräsidenten Dr. Bernd Althusmann. Die Ministerin ging auf die derzeit positive wirtschaftliche Lage in Niedersachsen und das Anliegen der Landesregierung ein, diese optimistischen Aussichten durch Rahmenbedingungen für Wachstum weiter zu begünstigen. An die Ingenieurinnen und Ingenieure gewandt nannte sie die Bereiche Infrastruktur und Digitalisierung, Bildung und Fachkräftemangel, Beschleunigung von Planungsverfahren, Bürokratieabbau und Zukunftsinvestitionen. Mit Milliardeninvestitionen werde das Land in den kommenden Jahren die Planungs- und Baukapazitäten erhöhen und unter Beteiligung von Ingenieurinnen und Ingenieure den Aus- und Neubau von Verkehrswegenetzen sowie den Bau und die Sanierung von Brücken realisieren. Hohe Investitionen seien vor allem in den Bereichen Digitalisierung, E-Mobilität und Autonomes und Vernetztes Fahren vorgesehen, so die Ministerin den Masterplan ergänzend. Auch hier seien qualifizierte Ingenieurinnen und Ingenieure gefragt, die daran teilhaben, den Wissensvorsprung Deutschlands zu sichern. Sie zog damit direkt Parallelen zum neuen Ingenieurgesetz. Mit entscheidender Bedeutung für Sicherheit und Verbraucherschutz sei letztlich gelungen, im Niedersächsischen Ingenieurgesetz als Voraussetzung zum Führen der Berufsbezeichnung eine gesetzliche Festlegung eines 70 prozentigen MINT-Anteils gemessen an den gesamten Studieninhalten zu erreichen, bestätigte sie den Präsidenten. Niedersachsen habe damit die „rechtliche Absicherung, dass, wo Ingenieur drauf steht, auch Ingenieur drin ist“, so die Ministerin abschließend. Die Ingenieurverantwortung in Beruf und Gesellschaft betonend signalisierte sie insbesondere in sicherheitsrelevanten Bereichen weiter ergebnisoffene Gespräche zu.

Mit dem Festvortrag Künstliche Intelligenz und Automatisierung als ethische und rechtliche Herausforderung wies Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio, Institut für Öffentliches Recht, Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, das Publikum auf neue Handlungsfelder hin. Die weltweit fortschreitenden Forschungen und Entwicklungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz seien Anlass, sich aktiv an den Bedingungen und Ausgestaltungen von Regeln und Leitlinien, die an die neuen Technizitäten formuliert werden müssen, zu beteiligen. Von Big Data über Robotik und Künstliche Intelligenzen bis hin zum Autonomisierten Fahren verlangten die technischen Entwicklungen Politik und Gesellschaft eine Verantwortungsmarkierung ab, die darauf ausgerichtet bleiben müsse, „die Grundlagen unserer Gesellschaft, unsere grundrechtliche Werteordnung im Prozess der technischen Transformation zu erhalten“, stellte Prof. Di Fabio fest. Nicht mit Technikfeindlichkeit, sondern mit einer konzeptionellen Vorstellung, in welche Richtung sich Technik entwickelt, schlage man den richtigen Weg ein und betonte: „Es muss eine Grenze gezogen sein, wo wir nicht mehr beobachten und deshalb kontrollieren können. Die Verfügungsbereitschaft, die Möglichkeit, Technik nicht nur zu nutzen, sondern auch sie zu gestalten, zu kontrollieren, ist ein ethischer Imperativ.“ So müssten Regeln gebildet und klar gemacht werden, dass bestimmte technische Entwicklungen nicht zugelassen werden dürfen, wenn sie das Individuum in eine Objektstellung bringen, unterstrich Di Fabio. Bereits jetzt nutze der Mensch technische Instrumente wie das Smartphone, könne aber nicht mehr begreifen, warum bestimmte Funktionen ausgelöst werden.
Deutschland und Europa seien dabei gut aufgestellt, eigene Regulierungsvorgaben zum Datenschutz und auch zum Schutz privater Autonomien zu formulieren, so geschehen beispielsweise in der EU-Datenschutz-Grundverordnung wie auch im Bericht der Ethikkommission zur Beurteilung des Autonomisierten Fahrens, der vom Bundesverkehrsministeriums 2017 vorgelegt wurde. Als Vorsitzender in die Ethikkommission berufen, war Prof. Di Fabio an der Aufstellung von 20 ethischen Regeln beteiligt, die mittlerweile auf europäischer Ebene rezipiert werden.

Di Fabio warnte dennoch vor Entwicklungen, die die Gesellschaft dehumanisieren, in dem Bestreben, das alles auf unsere Bedürfnisse ausgerichtet ist, „ohne danach zu fragen, wie die Algorithmen geschäftlich tatsächlich aufgestellt sind, wie Big Data funktioniert“, wie er kritisch anmerkte. „Wir erleben eine sanfte Totalisierung nach unserem Benutzerbedürfnis“, statuierte er Szenarien, die keine Science Fiction mehr seien. Plattformen wie Google mit vermeintlich kostenfreien Angeboten seien die strategischen Intermediäre in dieser Welt, so Di Fabio. Wo mit Argumenten gehandelt werde, das globale Gemeinwohl zu befördern, sei kritisch darüber nachzudenken, wie abhängig wir uns machen wollen von technischen, lernfähigen und auf künstlicher Intelligenz basierenden Systemen, gab er zu Bedenken. Eine der ethischen Forderungen und rechtliche Gestaltungsaufgabe werde daher sein, die Technik wie die Verfügbarkeit, die Portabilität und die wirtschaftliche Werthaltigkeit von Daten deutlich und transparent zu machen und in eine faire Wettbewerbsordnung zu überführen, verdeutlichte Prof. Di Fabio. Di Fabio sah hier nicht nur die Politik gefordert. Tendenzen, wo Sicherheit und Freiheit zugunsten der Bequemlichkeit und des Komforts aufgegeben würden, führten zwangsläufig zu ethischen Fragen wie „Wollen wir das? Dürfen wir das wollen?“, mit denen sich jedes Individuum beschäftigen sollte. In einer offenen pluralen Gesellschaft plädierte er folgerichtig für eine ebenso offene plurale Technikentwicklung, an der sich alle Akteure, Ingenieure wie Juristen und die kreativen Entwickler beteiligen, wissend, dass es rechtliche Regeln gibt und dass Technik und Infrastruktur so konzipiert sein müssen, dass es Ausweichmöglichkeiten gibt, so Prof. Di Fabio in seinen Schlussworten.

Höhepunkt für den wissenschaftlichen Nachwuchs war die anschließende Preisverleihung der Stiftung der Ingenieurkammer Niedersachsen. Der Stiftungsvorsitzende Hon.-Prof. Hans-Georg Oltmanns zeichnete insgesamt sieben Ingenieure aus, die ihre Forschungsarbeiten auch gleich vor breitem Publikum vorstellten. Die Stiftungspreise werden in Anerkennung hervorragender wissenschaftlicher praxisnaher Abschlussarbeiten jährlich vergeben.

Preisträger 2017 sind:

  • Dr.-Ing. Marreddy Ambati
    Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, Institut für Angewandte Mechanik
  • Dennis Birkner, M. Sc.
    Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, Institut für Massivbau
  • Dr.-Ing. Aamir Dean
    Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover, Institut für Statik und Dynamik
  • Andreas Dirks, M. Eng.
    Jade Hochschule Oldenburg, Institut für Materialprüfung
  • Lukas Geisler, B. Eng.
    Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften in Wolfenbüttel, Institut für energieoptimierte Systeme
  • Niklas Terfehr, B. Sc.
    Jade Hochschule Oldenburg, Institut für Angewandte Photogrammetrie und Geoinformatik
  • Niccolo Wieczorek, M. Sc.
    Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig, Institut für Stahlbau