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Das war der Ingenieurrechtstag

BIM und das neue Bauvertragsrecht lockten am 8. November mehr als 170 interessierte Ingenieurinnen und Ingenieure zum Ingenieurrechtstag in das Hannover Congress Centrum. Zum Auftakt begrüßte Hon.-Prof. Dipl.-Ing. Hans-Georg Oltmanns die Gäste, denen er in seinem Vortrag BIM: Der Virtuelle Baumeister auch gleich zahlreiche Aspekte aufzeigte, mit denen BIM das Zusammenarbeiten aller am Bau Beteiligten maßgeblich beeinflussen werde.

Am konkreten Bauvorhaben schilderte dann Architektin Dipl.-Ing. (FH) Sabine Burkert, M.Arch. von der Volkswagen Financial Services AG ihre ersten Erfahrungen in ihrem Vortrag BIM: Eine Einführung aus Sicht der Bauherren. Am Beispiel eines Büroneubaus am Standort in Braunschweig zeigte sie die Vorteile der effizienten digitalen Prozesse mit BIM auf, die sie als eine echte Prozessinnovation für das Planen, Bauen und Betreiben bewertete. Die Implementierung von BIM erforderten dabei tatsächlich erheblichen Kommunikationsaufwand und läuteten einen Kulturwandel ein, bestätigte die Projektleiterin ihren Vorredner. Die Verantwortlichen standen vor neuen Herausforderungen und intensiven Auseinandersetzungen, dies insbesondere in der Planungsphase. Schnell erkennbar wurden die Vorteile: Alle Informationen standen an einem Ort zur Verfügung, ständig aktualisiert waren Abstimmungen untereinander jederzeit möglich. Die Datenkonsistenz bewirkte mehr Klarheit und Orientierung und führte vor allem zu einem einheitlichen Verständnis mit klaren Ergebnissen: Diskussionen verliefen intensiver und lösungsorientierter durch das digitale, visuelle Modell, so Sabine Burkert. Mit neuer 3D-Hochleistungs-Lasertechnik ließ sich ein Abgleich-Scan der gebauten und virtuellen Realität erstellen, kleinste Abweichungen im Rohbau wurden nachvollziehbar. Die virtuelle Abbildung vor Erstellung des späteren, realen Baus beispielsweise hatte hier tatsächlich zu Fassadenänderungen geführt. In der Praxis punktete BIM bei der deutlichen Verbesserung der Planungssicherheit. Entwicklungen im Bau konnten durch schnellere und sicherere Entscheidungen auch auf der Bauherrenseite vorangetrieben und die Bauphase im Anschluss zeitlich begrenzter betrieben werden. Der interne Aufwand reduzierte sich, der Koordinations- und Besprechungsaufwand während der Bauphase verringerte sich. Ihr Fazit: Erst digital, dann real gebaut minimiert BIM-Risiken und optimiert Planung, Kosten, Termine, eine echte Revolution in der Wertschöpfungskette Bau folglich, die, so abschließend ihre ganz persönliche Erfahrung, auch deutlich den Spaßfaktor an der Arbeit erhöht habe.

BIM – Eine Einschätzung aus rechtlicher Sicht verfolgte RA Lars Christian Nerbel, Kanzlei caspers-mock, Bonn in seinem Vortrag. Er machte dabei zunächst einen neuen Auftragnehmertyp, den „BIM-Manager“ aus. RA Nerbel sieht hier Chancen für den Berufsstand, sich als „Player am Markt“ zu qualifizieren und für BIM-Aufgaben neu zu spezialisieren. Der BIM-(Gesamt-)Koordinator sei dann auch für die BIM-Qualität in seinem Zuständigkeitsbereich verantwortlich, mit Auswirkungen auf Honorarvereinbarungen und Haftung. Da BIM nur rudimentär in der HOAI berücksichtigt sei, empfahl RA Nerbel, in Hinblick auf die Vergütung für BIM-Leistungen klare schriftliche Vereinbarungen in die Vertragsgestaltung aufzunehmen. Um dem Problem der gesamtschuldnerischen Haftung bei BIM entgegenzuwirken, gehörten Eckpunkte im Vorfeld klar definiert und Pflichten zur Teilabnahme sowie exakte Darlegung des geschuldeten Leistungssolls in den Vertrag. Jedem BIM-Konstrukteur riet RA Nerbel zu Qualitätskontrollen seiner Datensätze, Modelle und Entwürfe sowie zur weitreichenden Dokumentation aller Planungsabläufe und ergänzte, dass auch BIM-Modelle unter den Schaffens- und Individualisierungsgrad fallen und damit urheberrechtsfähig seien. Die digitale Erfassung, Kombination und Vernetzung von relevanten Gebäudedaten stellt darüber hinaus besondere Anforderungen an die IT-Sicherheit und den Versicherungsschutz. Diesen hinsichtlich möglicher Cyberrisiken und Risiken in der Softwareprogrammierung für das BIM-Aufgabengebiet neu bewerten zu lassen, sei ratsam, schloss RA Nerbel.

Die Vergabe sowie Perspektiven zur HOAI und zur Ingenieurverantwortung prägten den zweiten Teil der Veranstaltung, in den Präsident Hans-Ullrich Kammeyer einführte. Der Präsident thematisierte das neue Niedersächsische Ingenieurgesetz. Die Fraktionen des Landtags haben die Auffassungen der Verbände und Kammern geteilt, was dazu geführt hatte, dass 70 Prozent MINT-Anteile als Voraussetzung für die Berufsbezeichnung im Gesetz verankert werden konnten. Aus Sicht der Ingenieurkammer Niedersachsen ist das wichtige Ziel der Qualitätssicherung erreicht.

Nachdenklich stimmte Dirk Wagner, Ingenieur und Pastor, in seinen Gedanken zu Eine Frage der Ethik – die Verantwortung des Ingenieurs zwischen Technik, Wirtschaft und persönlichem Erfolg im Zeitalter postfaktischer ‚Realitäten‘. Er griff die jüngsten Krisen in der Finanz- und der Automobilbranche auf und warnte, Manipulationen nicht als systemrelevant hinzunehmen: „Betrug darf nicht kultiviert und salonfähig gemacht werden“. Vielmehr sei eine Umorientierung zu den wirklichen Realitäten gefragt. „Und die fängt im Denken an, mit technischem Verstand und mit allen Sinnen, mit denen wir in der Lage sind, die Realität als Realität wahrzunehmen“, so Wagner wörtlich. Die Frage nach der Ethik stelle sich somit für den Berufsstand der Ingenieurinnen und Ingenieure im Besonderen: Auswirkungen seines Handelns wirkten schließlich unmittelbar auf Gesellschaft, Umwelt und nachfolgende Generationen. Wagner betonte die Notwendigkeit, Sachzwänge nicht zum Maß aller Dinge zu machen. Gerade die Konflikte zwischen Wirtschaftlichkeit und Verantwortlichkeit verlangten nach ethischer Reflexion und einer unaufgeregten Verlagerung dieser Reflexion in die Öffentlichkeit, bekräftigte er.

Mehr Kommunikation und Dialog seien darüber hinaus angesichts der voranschreitenden Digitalisierung, Abhängigkeit von Technologien und des mit Industrie 4.0 zu erwartenden Strukturwandels dringlicher denn je. Dass sich mit technischen Neuentwicklungen nicht nur Möglichkeiten eröffnen, sondern Konsequenzen, Gefahren und Risiken verbinden, mit denen umzugehen ist, so Wagner mahnend, erfordere die eigene Standortbestimmung. Es gehe um Selbstbestimmung und um Handlungsorientierung. Selbstreflexion sei gefragt, so Dirk Wagner, und „die Behandlung der Frage nach dem richtigen Tun und dem guten Leben, und darum, wonach wir uns ausrichten, als Menschen, gerade auch in unserem Beruf“.

Prof. Dr.-Ing. Rainer Schwerdhelm versetzte die Anwesenden zurück in die Praxis und fasste zusammen, mit welchem erheblichen Einfluss Das neue Vergaberecht – Perspektiven und Chancen / HOAI insbesondere auf die kleineren und mittleren Ingenieurbüros wirkten. Die Erfahrungen zeigten, so Prof. Schwerdhelm, dass der Aufwand für die Beteiligung an einer Auslobung nach VgV inzwischen so hoch sei, dass sich kleinere Büros nicht daran beteiligten. Auch wenn sich der Aufwand an einer Auslobung nach VgV durch vorbereitende Maßnahmen reduzieren lasse, reichten die Referenzen häufig nicht aus. Es herrsche Unsicherheit, wie mit der VgV und der UVgO umgegangen werden soll. Nicht selten zwängten sich Auftraggeber wie Auftragnehmer unter den Schwellenwert. Angebote würden mit einem nicht auskömmlichen Preis abgegeben, um die Sukzession in der Referenzenliste nicht abreißen zu lassen. Hier zu mehr Chancengleichheit zu gelangen, trage dazu bei, dass der Leistungswettbewerb nicht dem Preiswettbewerb verfalle, so Prof. Schwerdhelm die Grundsätzlichkeit des Planungswettbewerbs betonend.

Zum Abschluss hatte erneut RA Lars Christian Nerbel das Wort. In seiner Einführung in das neue Bauvertragsrecht – Neue Chancen und Risiken für die Ingenieure ging er intensiv auf die neue Struktur des BGB zum Werkvertragsrecht ein. Detailliertere Vorschriften und klare Vorgaben bei der Gestaltung und Abwicklung von Bauverträgen sollen mehr Transparenz und Schutz vor Mehrkosten bringen und dem Verbraucherschutz dienen. Mit der Änderung werden erstmalig Architekt und Ingenieur überhaupt namentlich im BGB erwähnt und spezielle Regelungen für Planerverträge eingeführt, aus denen sich unterschiedliche vertragstypische Pflichten ergeben. Zu beachten seien Neuerungen wie die Regelung zur Berechtigung von Abschlagsforderungen, das Widerrufsrecht bzw. die erforderliche Widerrufsbelehrung bei Verbraucherbauverträgen. RA Nerbel thematisierte auch die Auswirkungen auf die Vergütung und die gesamtschuldnerische Haftung. Zu berücksichtigen sei vor allem, dass sich das neue Bauvertragsrecht bzgl. der Leistungspflichten des Planers nicht an der HOAI orientiere. Geschuldet seien nur diejenigen Leistungen, die erforderlich sind, um den Vertragszweck zu erreichen, nicht aber alle Teilleistungen der Grundleistungen der HOAI, betonte RA Nerbel. Dem Risiko der Kürzung der Vergütung nach HOAI könne durch konkrete Vereinbarungen hinsichtlich der Bedarfsplanung und -ermittlung entgegengewirkt werden.