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Tag der Ingenieurinnen und Ingenieure | 1. September 2022

Mit unserem Tag der Ingenieurinnen und Ingenieure starteten wir am 1. September in unsere nächste Präsenzveranstaltung im Hannover Congress Centrum und beleuchten die aktuelle Situation angesichts von Energieengpässen sowie Staats- und Wirtschaftsverschuldungen: Wie sieht die derzeitige Finanzpolitik aus und welche Folgen ergeben sich daraus für die nachfolgenden Generationen? Zu Gast war der renomierte Finanzwissenschaftler Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen, Experte insbesondere in den Bereichen der Sozial- und Steuerpolitik und mit Lehrstuhl am Institut für Finanzwissenschaft und Sozialpolitik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Sein Thema: Von Schulden, die man sieht und Schulden, die man nicht sieht – eine Generationenbilanz.

Zudem zeichnete die Stiftung der Ingenieurkammer Niedersachsen ihre Preisträgerinnen und Preisträger 2021 und 2022 aus.

Präsident Prof. Dr.-Ing. Martin Betzler sprach in seinem Grußwort von Vertrauen als Bindemittel der Gesellschaft und der Relevanz von Berufsrechtvorbehalten. Angesichts der aktuellen Krisenzeiten – Energieknappheit, Baustoffmangel, Lieferengpässe und Kostensteigerungen – sei das Vertrauen in gesellschaftliche Systeme und in den Berufsstand der Ingenieurinnen und Ingenieure essentiell. Das Vertrauen gegenüber Expertinnen und Experten und damit auch in Ingenieurleistungen stelle die zentrale Voraussetzung für das Funktionieren von hochkomplexen arbeitsteiligen Gesellschaften dar. Der Präsident appellierte an die Politik, im Sinne der Qualitätssicherung und der Erfüllung der Gemeinwohlfunktion berufsrechtliche Regulierungsmöglichkeiten zu schaffen. Mit der zunehmenden Komplexität von Berufsaufgaben und technischem Fortschritt sei auch der Staat in der Verantwortung, den gestiegenen Anforderungen in der Risikobewältigung mit geeigneten Rahmenbedingungen für präventive Systeme zu begegnen.

Explizite und implizite Schulden, Nachhaltigkeitslücke und Generationenverantwortung – dies waren die Schlagworte, mit denen der Finanz- und Sozialwissenschaftler Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen das Publikum im Rahmen des Tags der Ingenieurinnen und Ingenieure trotz humorvoller Ausführungen phasenweise durchaus nachdenklich stimmte. Seinen Vortrag Von Schulden, die man sieht und Schulden, die man nicht sieht – eine Generationenbilanz leitete er mit einer, wie er sagte, kurzen „Buchführung des Staates“ ein  und legte zunächst eine Bestandsaufnahme offen, auf welche Weise und in welcher Höhe sich der Staat wo verschuldet. „Wir dokumentieren, dass wir mehr ausgeben als einnehmen, dass wir Schulden machen“, analysierte er das jährliche Staatsdefizit, bevor er kurzerhand das aktuelle Schuldenbuch aufschlug:

72,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP), rund 2,38 Billionen Euro verbrieft Deutschland derzeit als Gesamtschulden, ca. 29.000 Euro Schulden lasten demnach pro Kopf auf der Gesamtbevölkerung in Deutschland, so die aktuellen Zahlen. Und damit nicht genug. Denn hier mahnte der Ökonom dann gleich zur Korrektur der notwendigen Unterscheidung in sichtbare und unsichtbare Staatsschulden, nämlich die Staatschulden, die man sieht, wie er zu berichten wusste, weil der Staat sie anhand von Statistiken jährlich offenlegt. Denn während die sichtbaren Staatsschulden bilanziert werden, mache der Staat indirekt weitere Schulden. Unmittelbar nahm er die Altersvorsorge und Rentenpolitik ins Visier und verinnerlichte die Nachhaltigkeitslücke am Beispiel der staatlich zugesicherten Pensionsversprechungen, wie sie auch ihm gegeben wurden und die, sobald sie anfallen, aus dem laufenden Haushalt finanziert würden.

Diese „zukünftigen Leistungsversprechen“, die beispielsweise Unternehmen bilanzieren müssten, wenn sie für die betriebliche Altersversorge Rückstellungen bildeten, seien im Steuer- und Ausgabeniveau des Staates jedoch in keinster Weise gedeckt: daher unsichtbare Schulden. Das Resultat: „Fehlende Rückstellungen sind Schulden des Unternehmens“, bilanzierte der Ökonom. Und genau an diesen Rückstellungen fehle es dem Staat: „Der Staat bilanziert nicht, die Regel gilt für Sie, nicht für den Staat selbst.“

Angesichts der demographischen Herausforderungen, vor der die jetzt schon überalterte Gesellschaft in Deutschland steht, müsse die Politik Weichenstellungen in der Alterssicherung vornehmen, um Wege aus der Schuldenfalle zu finden und dabei die Handlungsoptionen transparent diskutieren und kommunizieren, damit die generative Lastenverteilung nicht in die Schieflage gerate. Denn diese Nachhaltigkeitslücken sind Hypotheken zu Lasten nächster Generationen. Aus Sicht des Finanzökonoms seien daher weitere Anpassungen und Diskussionen zum Rentenzugangsalter oder zur Koppelung des Rentenzugangsalters an die Lebenserwartung unvermeidlich und notwendig, damit es am Ende nicht einseitig heißt: „Wir kürzen die Leistungen oder erhöhen die Beiträge,“ urteilte er kurz formuliert.

Vor dem Hintergrund der Rentenversorgung der geburtenstarken Jahrgänge durch die geburtenschwachen nachfolgenden Generationen thematisierte Professor Raffelhüschen das Umgehen mit „Gerechtigkeit“ und „Gleichheit“ gegenüber den nachfolgenden Generationen. „Die Akzeptanz der Generationenverträge steht auf dem Spiel, wenn Rentenansprüche der geburtenstarken Jahrgänge durchgesetzt werden wollen“, betonte der Referent. Hier sieht der renommierte Volkswirtschaftler klar die Verursacher in der Verantwortung. Schonungslos benannte er die kommende(n) kinderärmere(n) Rentengeneration(en) und die geburtenstarken 60er Jahrgänge als „Teil des Problems“ und stellte klar: „Das Verhältnis können wir nicht mehr beeinflussen.“ Die Lage bessere sich erst in rund 25 bis 30 Jahren, prognostizierte er, „wenn Wenige wieder Wenige zu versorgen hätten“, so seine These. Er bemängelte, das demographisch bekannte Problem nicht frühzeitig und ausreichend angegangen zu sein. Hier nunmehr nach zeitigen Lösungen und einer generationengerechten Konsolidierung des Rentensystems zu streben, sei rasche Aufgabe einer verantwortungsvollen Politik, die der Sozialstaat weitreichend auch für die Kranken- und Pflegeversorgung geltend machen müsse. Seine Faustformel: Länger arbeiten und mehr sparen.

Keine leichte Aufgabe bei der aktuellen Inflation. So kritisierte der Finanzexperte die Null-Zinspolitik der vergangenen Jahre, wies jedoch zugleich auf den Anstieg von Vermögenswerten wie Immobilien und Aktienanteilen in breiten Bevölkerungsschichten hin. In Hinblick auf die jetzige Inflation gäbe es keine Illusionen – er skizzierte deren Entstehung, die unmittelbar auch im jahrelangen Zusammenhang mit dem Kauf von Staatspapieren durch die Europäische Zentralbank sowie die Steigerung der Zentralbankgeldmenge in den letzten zehn Jahren begründet sei. Aktuelle Entwicklungen wie der Krieg in der Ukraine stellen diesbezügliche Zündungsmechanismen dar. Hier müsse man sich notgedrungen den gegebenen Umständen anpassen. „Die Inflation und Staatsverschuldung kommen nicht – sie sind schon da, um zu bleiben,“ konstatierte er dem Publikum.

Heiterer verlief die anschließende Preisverleihung der Stiftung der Ingenieurkammer Niedersachsen. Der Ingenieurnachwuchs stand im Mittelpunkt und machte mit exzellenten ingenieurwissenschaftlichen Abschlussarbeiten auf sich aufmerksam. Die Stiftung der Ingenieurkammer freute sich, endlich ihre Preisträgerinnen und Preisträger auszeichnen zu können. Da aufgrund der Corona-Pandemie die Preisverleihung im traditionellen Rahmen des Neujahrsempfangs in den beiden vergangenen Jahren nicht stattfinden konnte, wurden beim Tag der Ingenieurinnen und Ingenieure zunächst die anwesenden Preisträgerinnen und Preisträger 2021 ausgezeichnet, gefolgt von den Preisträgerinnen und Preisträgern 2022.
Die ehemaligen Absolvierenden stellten ihre Themen aus den unterschiedlichsten Ingenieurbereichen vor und erhielten vom Stiftungsvorsitzenden Hon.-Prof. Dipl.-Ing. Hans-Georg Oltmanns die Urkunden und Stiftungspreise überreicht.

Preisträgerinnen und Preisträger

2021

David Appelhaus | Technische Universität Braunschweig

Dr. Maik Bertke | Technische Universität Braunschweig

Dr. Patrick Sven Gütz | Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover

Lea Höll | Hochschule Emden/Leer

Nicole Lichtenscheidt | Jade Hochschule

Malte Siemen | Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover


2022

Gerrit Bremer | Technische Universität Braunschweig

Dr. Johannes Büchner | Technische Universität Braunschweig

Ellen Krahl | Technische Universität Braunschweig

Lukas Muth | HAWK Hochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen

Jyotsna Singh | Hochschule Emden/Leer

Jendrik-Alexander Tröger | Technische Universität Clausthal

Dr. Mario Welzel | Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover

Im Überblick: Alle Stiftungspreisträger:innen und die Themen der Abschlussarbeiten

https://www.stiftung-ingkn.de/preistraeger

 

 

Auch der Stiftungsvorsitzende Hon.-Prof. Dipl.-Ing. Hans-Georg Oltmanns selbst wurde von Präsident Betzler für sein langjähriges Engagement im Vorstand der Ingenieurkammer Niedersachsen und für sein berufspolitisches Wirken ausgezeichnet.

Beim anschließenden Get-Together und Buffet diskutierten die Teilnehmenden die interessanten Inhalte der Veranstaltung und tauschten sich intensiv aus. Wir sagen Danke an unseren Referenten Professor Raffelhüschen, an die Preisträgerinnen und Preisträger und an alle Teilnehmenden, die zu uns nach Hannover gekommen sind.

Alle Fotos: © Christian Wyrwa

 

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