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Ingenieurkammer Niedersachsen

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Energietag 2017

Am 16. Mai 2017 fand im Hannover Congress Centrum der 4. Energietag der Ingenieurkammer statt. Mitglieder und Interessenten informierten sich über verschiedene Energieschwerpunktthemen und diskutierten mit Experten. In seinem Grußwort betonte Präsident Hans-Ullrich Kammeyer die Aktivitäten des Berufsstandes in der Energiewende. Input und Fachwissen von Ingenieurinnen und Ingenieure seien vorrangig erforderlich, um eine fachlich objektive Darstellung und Einschätzung der energetischen, technischen und ökologischen Zusammenhänge und ihre möglichen Auswirkungen in den verschiedenen Tätigkeitsfeldern zu gewährleisten.

Im Rahmen des Klimaschutzes ist die Ingenieurkammer darum auch bei den Beratungen über das Klimagesetz der Landesregierung beteiligt und nahm am Runden Tisch des Niedersächsischen Umweltministeriums teil. Über ihren Expertenkreis für Energiefragen bietet die Ingenieurkammer Hilfestellungen für die praktische Umsetzung in der täglichen Arbeit der Planer und greift mit der diesjährigen Veranstaltung Themenstellungen rund um die Elektromobilität und eine effiziente Versorgung auch aus rechtlicher Sicht auf. Diese waren dann auch Schwerpunkte im Vortrag Beiträge kommunaler Unternehmen in den Bereichen Verkehr und Gebäude von RA Fabian Schmitz-Grethlein, Bereichsleiter Energiesystem und Energieerzeugung, Verband kommunaler Unternehmen e. V., Berlin. Mit den internationalen Beschlüssen vom G7-Gipfel in Elmau und zum Klimaabkommen von Paris im Jahr 2015 stellte er eingangs die bekanntlich ambitionierten Reduktionsziele zum Klimaschutz vor. Diese sind mit erheblichen Konsequenzen auch für Deutschland verbunden: Erforderlich sei, in alle Prozesse und Sektoren des Wirtschaftslebens hineinzugehen, mit dem gleichzeitigen Anspruch, neue Technologien in den Markt zu bringen und perspektivisch bei Speichertechnologien nachzulegen. RA Schmitz-Grethlein betonte dabei die gesamtgesellschaftliche Verantwortung ebenso wie die Herausforderungen an den Berufsstand der Ingenieurinnen und Ingenieure.

In den kommunalen Beschäftigungsfeldern Gebäude und Verkehr zielten die Aktivitäten daher weiter auf die Steigerung der Energieeinsparung und Effizienzsteigerung. Bereits die Hälfte des Energieverbrauchs in Deutschland fällt im Wärmesektor an, legte RA Schmitz-Grethlein an verschiedenen statistischen Auswertungen dar. Im Städtebau bieten sich für die Wohnungswirtschaft auch unter dem Aspekt der demografischen Entwicklung ebenso wie für Energieanbieter und Stromversorger neue Handlungsfelder. Insbesondere in Ballungszentren stelle sich die Herausforderung, die Wärmenetze durch Integration vielfältiger Techniken und Kombination zugänglicher Systeme wie Fernwärme und Photovoltaik, KWK, Geothermie, Biogas u.a. zukunftsfähig zu machen. Hier seien alle Akteure am Markt gefordert, wettbewerbsfähige Wärme- und Stromprodukte anzubieten und durch Nutzung neuer Technologien beispielsweise langfristig auch die zunehmende Nachfrage nach Elektromobilität zum Qualitätsmerkmal zu machen. Eine frühe Beteiligung schon in der Planungsphase des Baugebiets ermögliche dann, im Quartiersansatz lokalen Gegebenheiten und bestehenden Infrastrukturen durch ganzheitliche Betrachtung gerecht zu werden.

Während der Erfolg der Energiewende im Gebäudebereich im erheblichen Maße vom Gelingen der Wärmewende abhängt, zeigt sich, dass im Bereich Verkehr die Elektromobilität bei kommunalen Unternehmen als Investition in die Zukunft und in eine lebenswerte Stadt aktuell hohe Priorität hat. Mehr als 60 Prozent der Stadtwerke sind mit dem Aufbau von Ladeinfrastrukturen, der Beschaffung von Fahrzeugen und Entwicklung von Vertriebsprodukten oder dem Carsharing, E-Bikesharing und anderen Mobilitätsdienstleistungen aktiv, zitierte RA Schmitz-Grethlein. Unterstützend wirke hier, dass der Rechtsrahmen für den Aufbau und Betrieb von Ladeinfrastrukturen durch verschiedene Gesetzgebungen und steuerliche Förderung zunehmend konkreter werde. Er gehe verstärkt davon aus, dass es in nächster Zeit bei den Förderrichtlinien weitere Veränderungen geben werde, um auch den Aufbau öffentlich zugänglicher Ladestationen primär zu befördern.

Den Blick auf Möglichkeiten der Bewältigung steigender Verkehrsströme und Perspektiven des Mobilitätsverhaltens im 21. Jahrhundert lenkte auch Dr.-Ing. Rainer Schwerdhelm in seinem Vortrag Verkehr und Energie: Herausforderungen für Gesellschaft und Ingenieure. Weltweit war der Verkehr im Jahr 2013 mit einem Anteil von 23 % Ausstoß an Kohlendioxidemissionen durch Verbrennung beteiligt, darunter fielen 17% auf die Straße. Trotz aller Anstrengungen, den CO2-Ausstoß und die Verwendung kohlenstoffhaltiger Energieträger im Bereich Verkehr zu senken, sei ein Quantensprung noch nicht gelungen. Mit der Entwicklung alternativer Energieträger wie Wasserstoff und Elektromobilität für Fahrzeugbau, öffentlichen Verkehr und Schiene sei der Umbau bzw. Aufbau ganzer Systeme betroffen, angefangen bei innovativen Technologien über leistungsfähige Speichersysteme bis hin zu effizienten Infrastrukturen und neuen Mobilitätskonzepten. Von den vielen neuen Mobilitätsideen, die zurzeit auf den Markt geworfen würden, würden sicherlich einige zur Anwendung kommen werden, vermutete Dr. Schwerdhelm. 

Gewinner in der Ökobilanz, auch das rechnete Dr. Schwerdhelm vor, bleibt das Fahrrad. So ginge es nicht (nur) darum, die Autos mit einem neuen Antrieb zu versehen, sondern notwendig einen Wandel des Mobilitätsverhaltens zu vollziehen, wie dies bei der jüngeren Generation bereits sichtbar werde. Vom einseitigen, intermodalen Verkehrsverhalten bewegten sich die Gesellschaften hin zu multimodalem, variablem und damit den Bedürfnissen angepasstem Verkehrsverhalten bis hin zu einem flexiblen Verkehrsverhalten mit Kombination verschiedener Verkehrsmittel. Dies zeigen auch erste Versuche von Postzustelldienstleistern, die z. B. den Einsatz von Drohnen in ländlichen und Gebirgsregionen (in England und der Schweiz) oder Elektrofahr- und -lasträdern in innerstädtischem Bereich, wie in Deutschland, erprobten. Ähnlich wie sein Vorredner ging Dr. Schwerdhelm dabei auf persönliche wie politische und wirtschaftliche Gegebenheiten ein, welche sich über Jahrzehnte etabliert haben, und die durch neue Systeme aufgelöst und durch neue Strukturen ersetzt würden. Hier sei mit grundlegenden Veränderungen zu rechnen, die von der Gesellschaft individuell wie politisch gewollt mitgetragen werden müssten.

Der zweite Teil der Veranstaltung widmete sich ganz der Praxis der Planer. Unter der Fragestellung Bauqualität und EnEV: Immer neue Anforderungen an die Planer = immer bessere Bauqualität? stellten Dipl.-Ing. Britta Kemper, OP Engineers GmbH, Oldenburg und Dipl.-Ing. Heike Böhmer, Geschäftsführende Direktorin des Instituts für Bauforschung e. V., Hannover Berichte aus Forschung und Praxis zur EnEV vor. Die Fallbeispiele zum sommerlichen Wärmeschutz und zum Feuchteschutz bei Flachdächern und Außenteilen in Holzbauweise machten deutlich, dass im Bereich der normativen Rahmenbedingungen Erläuterungen fehlten bzw. Formulierungen dehnbar wären.

Rechtliche Vorgaben geraten dabei nicht selten in einen planerischen Widerspruch wie bei den Anforderungen zum Wärme- und Schallschutz, so die Ingenieurinnen. Häufig stelle sich auch die Frage, ob bei Nachweisberechnungen zum sommerlichen Wärmeschutz beispielsweise das vereinfachte Verfahren genüge oder die thermische Simulation erforderlich sei. Dass unter den gestiegenen Anforderungen die Bauqualität proportional nicht gestiegen sei, unterlegte Dipl.-Ing. Heike Böhmer mit statistischen Auswertungen zu Bauschäden, Mängelschwerunkten und gestiegenen Bauschadenskosten. Sinnvoll sei daher, Plausibilitätsprüfungen an den Anfang des Planungsprozesses zu stellen und genaue Bau- und Leistungsbeschreibungen in den Bauvertrag aufzunehmen, um so auch die Ziele und Wünsche der Auftraggeber unter Berücksichtigung aller rechtlicher Rahmenbedingungen erfüllen zu können, schlossen die Expertinnen.

In den anschließenden Diskussionsbeiträgen lenkten die Teilnehmenden den Fokus nochmals auf die gewichtigen Themenstellungen der technischen Kompetenz und Qualität in Planung und Ausführung, der Setzung realistischer Ziele auf Basis des Machbaren und Sinnvollen vor dem Hintergrund steigender gesetzlicher Anforderungen und einer Gesamtbetrachtung der ökologischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkte unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit sowie der Bedürfnisse der Auftraggeber.

Hier können Sie die Vorträge des Energietages 2017 nachlesen:

Fabian Schmitz-Grethlein
Dr. Rainer Schwerdhelm
Britta Kemper
Heike Böhmer