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Sachverständigentag 2022

Digitalisierung, Elektromobilität und Deponiesicherung

Austausch und Information beim ersten Sachverständigentag nach zweijähriger Pause – im Zentrum der Präsenzveranstaltung am 13. September im Hannover Congress Centrum standen vielfältige Fachthemen rund um das Sachverständigenwesen.

Präsident Prof. Dr.-Ing. Martin Betzler betonte in seinem Grußwort die Schlüsselstellung, die öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige bei Gericht, aber auch mit Blick auf den Verbraucherschutz in der Gesellschaft einnehmen. „Als öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige genießen Sie ein hohes Maß an Vertrauen und Wertschätzung“, so der Präsident. Eine unabhängige fachliche Beratung und Information sei gerade in der Schadenermittlung und der Ursachenklärung als auch in einer sicheren Auftragsvergabe von allergrößter Bedeutung. Gleichzeitig geraten die fachlich kompetenten Sachverständigenleistungen aus unabhängiger Hand angesichts der aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen zunehmend in den Fokus. Der Präsident sprach daher von vielfältigen Erwartungen, die aktuell an Sachverständige gestellt werden – von gesetzlichen Regelungen bis zur Digitalisierung.

Bernhard Floter, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Instituts für Sachverständigenwesen e.V. in Köln eröffnete einen Einblick in den aktuellen Stand und zukünftige Entwicklungen der Elektronischen Kommunikation mit Gerichten. Gutachten können derzeit als elektronische Dokumente bei Gericht eingereicht werden, sofern ein sicherer Übermittlungsweg gewählt wird. Zwei neue Wege sind seit Beginn des Jahres 2022 möglich, bei der die eindeutige Identifizierung des Absenders essentiell ist: Das elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBo) und der elektronische Post- und Versanddienst eines Nutzerkontos.

Der Referent kritisierte, dass offen sei, ob Sachverständige zur Nutzung der elektronischen Kommunikation zukünftig verpflichtet werden. Derzeit gäbe es keine konkreten Pläne für ein besonderes Sachverständigenpostfach (beS). Die OLG Präsidenten wünschen für das Jahr 2026 verpflichtende Einbeziehung der Sachverständigen. Er bemängelte zudem eine fehlende Leistungsanrechnung beispielsweise in Form einer Digitalpauschale für Sachverständige wie ferner auch den nach wie vor großen Technologieunterschied zwischen den Bundesländern sowie Gerichten. Als Beispiel führte er hier ein Akteneinsichtsportal an, das einen einheitlichen Zugang zu den Gerichtsakten aller Länder und des Bundes ermöglichen soll, derzeit jedoch in Niedersachsen noch nicht vollumfänglich einsatzfähig sei.

Bernhard Floter gab einen Überblick über aktuelle Möglichkeiten, Sachverständigenleistungen zu versenden und stellte als Alternative für auslaufende Optionen das Elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) vor, welche die Kommunikation mit Gerichten und Anwälten ermögliche. Der Referent beleuchtete des Weiteren verschiedene kostenpflichtige Tools, welche mit einer Sende- und Empfangskomponente ausgestattet sind und kritisierte, dass entgeltfreie Lösungen für Sachverständige, wie das in den nächsten Jahren an den Start gehende Bundesportal „BundID“, noch nicht vorhanden seien und ein unklares Leistungsspektrum aufwiesen.

Mit höchster Aufmerksamkeit lauschten die Teilnehmenden dem Vortrag Brandgefährdung durch Elektromobilität von Prof. Dr.-Ing. Joachim Berg. Er lehrt an der Hochschule Flensburg und ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Elektrische Maschinen und Antriebstechnik sowie Elektromobilität und Elektrofahrzeuge.
Der Experte fokussierte die grundlegende Brandgefahr bei Lithium-Ionen-Batterien in E-Fahrzeugen und ging dabei weitreichend auch auf das Gefährdungspotential für Gebäude durch Ladeinfrastrukturen ein. An mehreren Fallbeispielen zeigte er eindrucksvoll die Gefahrenentwicklungen und Risiken auf, die von einem Thermal Runaway bei einem E-Fahrzeug für Menschen und Sachgüter ausgehen, da „dieser nicht gelöscht, sondern nur gekühlt werden kann“, wie er mahnte. Denn der Brand eines E-Fahrzeuges lässt Temperaturentwicklungen von bis zu 3000 Grad Celsius entstehen und dauert bis zu 72 Stunden. Durch die enorme Hitzeentwicklung steige das Gefahrenpotential für Gebäude und Infrastrukturen, insbesondere in Tiefgaragen und Tunneln. Neben der Brandsetzung weiterer Fahrzeuge gefährdeten die extremen Temperaturen vor allem die umgebende Gebäudestatik, weil dann auch Stahl bei über 1600 Grad Celsius zu schmelzen beginne.

Der Experte appellierte hier an ein hohes Verantwortungsbewusstsein bei der Gefährdungsbeurteilung (GBU) und riet, die Errichtung einer – häufig auch nachträglich installierten – Ladeinfrastruktur im Einfahrt- oder Ausfahrtbereich von Tiefgaragen planerisch so umzusetzen, dass im Brandfall der schnelle Zugriff gewährt sei, sowie Standorte zu wählen, und dies gelte auch bei Abstellplätzen für Elektrofahrräder, „die genügend weit von Kabelpritschen, Lüftungsanlagen und Gasleitungen entfernt sind“, wie der Experte zusätzlich mahnte. Mit seinen Ausführungen machte Professor Berg deutlich, „wie wichtig und zwingend eine Gefährdungsbeurteilung ist, insbesondere auch, wenn der Gebäudeversicherer für einen Schadensfall eintreten soll und keine GBU erstellt wurde.“ Eine wesentliche Vorausetzung für einen gesicherten Betrieb sei deshalb eine Brandfrüherkennung mit Temperatur- und Gasmessfühlern, in Kombination mit einer Sprinkleranlage und hoher Leistung, wobei die Möglichkeit des elektrischen Freischaltens der Ladeinfrastruktur automatisch und „von Hand“, durch die Feuerwehr, im Zufahrtsbereich der Tiefgarage gewährleistet werden müsse, riet der Experte abschließend.

Dipl.-Ing. Wolfgang Oltmanns, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Erd- und Grundbau mit Schwerpunkt Deponietechnik, referierte über die sachverständige Unterstützung bei der Sicherung von Deponien. Zunächst wurden die regulatorischen Grundlagen beleuchtet, unter anderem die Deponieverordnung (DepV) und der Bundeseinheitliche Qualitätsstandard. Anhand mehrere Projektbeispiele skizzierte der Referent die unterschiedlichen Phasen der Projektbegleitung mit dem Ziel, die Deponien in die Stilllegungsphase bzw. in die Nachsorgephase zu überführen. Der Beratende Ingenieur aus Braunschweig erläuterte verschiedene Untersuchungsschritte angesichts der besonderen Anforderungen im Umgang mit Gefahrstoffen und zur Umweltsicherung – von den Labor- und Felduntersuchungen über Wasserhaushaltsberechnungen bis zum Einsatz von Stabilisierungssäulen zur Baugrundverbesserung und Schlammstabilisierung. Die konstruktive Zusammenarbeit und Innovationsbereitschaft aller Beteiligten sei bei der Begleitung von Deponieprojekten unabdingbar. Abschließend appellierte der Referent, für diese unabhängige und sachverständige Begleitung im Einvernehmen der Beteiligten in außergerichtlichen Verfahren neben Parteigutachten, Mediation und Schiedsgutachten einen Terminus zu kreieren und Planungsverantwortung sowie (Umwelt-)Haftpflicht zweifelsfrei zu definieren.

Wir freuen uns über alle Teilnehmenden, die zu Information und Austausch in das Hannover Congress Centrum gekommen sind und bedanken uns für die sehr gelungene Veranstaltung auch bei unseren Referenten.

Fotos: © Ingenieurkammer Niedersachsen

 

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