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Energietag 2022: Energieeffizienz und Klimaschutz im Bausektor

Welche Techniken und auch politischen Rahmenbedingungen tragen wirkungsvoll zur Energiewende bei? Welchen Beitrag können zum Beispiel Wärmepumpen bei der Energiebereitstellung in Gebäuden leisten? Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine, eines Energieembargos gegen Russland und infolge der aktuell explodierenden Energiekosten standen auch die gesellschaftsrelevanten Herausforderungen im Blickpunkt. Das Thema des diesjährigen Energietags am 17. Mai konnte aktueller nicht sein und so freuten wir uns, dass über 120 Teilnehmende am 17. Mai nach zwei Jahren zu unserer ersten Präsenzveranstaltung in das Hannover Congress Centrum zu Information und Austausch gekommen sind.
 

Prof. Dr.-Ing. Rainer Schwerdhelm von der Jade Hochschule Oldenburg, Lehrbereich Mobilität und Steuerung von Verkehrsströmen sowie Vorstandsmitglied der Ingenieurkammer Niedersachsen, moderierte das facettenreiche Thema gewohnt lebhaft und interessant.

Erstmals begrüßte der neue Präsident Prof. Dr.-Ing. Martin Betzler die Gäste. Mit Blick auf die drastische Erderwärmung, die mit 1,5 Grad Plus schon 2026 erreicht sein könnte, betonte auch er die Dringlichkeit des Handelns, sowohl energieeffizienter als auch unabhängiger in der Energieversorgung zu werden. Denn insbesondere der Bausektor weise mit rund 40 Prozent CO2-Emissionen einen nach wie vor deutlich zu hohen Energie- und Ressourcenverbrauch auf. Den Berufsstand sieht er hier als Vorreiter im klimaangepassten Bauen und mit Lösungsansätzen für intelligente Energiesysteme und Gebäudekonzepte und einer neu gedachten Kreislaufwirtschaft hin zur Wiederverwendbarkeit und weit vorausschauender Planung gut aufgestellt. „Wir schaffen Spitzentechnologie und für uns Ingenieurinnen und Ingenieure kann ich sagen: Wir stehen und leben für Ideenreichtum, Kreativität und Engagement – dies mit hohem Bewusstsein für die Verantwortung, in der wir stehen, und mit Unabhängigkeit und Fachkompetenz.“ Sein Appell auch: „Zur Energieeinsparung können wir alle einen Schritt beitragen, Ressourcen schonen und mit bewusstem Mobilitäts- und Konsumverhalten unseren Beitrag leisten.“

Dr. agr. Heinrich Macke eröffnete den Themenkomplex mit seinem Fachvortrag Wärmepumpe in Kombination mit Photovoltaik: Ein lohnender Beitrag zur Wärmeversorgung? Mit Blick auf die gesellschaftlichen Ziele zur Begrenzung des Klimawandels verwies der Experte auf den gesetzlichen regulatorischen Rahmen zur Dekarbonisierung bis 2050: „Wir hinken dem Ziel hinterher“, mahnte er und forderte ein proaktives und beschleunigtes Angehen vor allem im Bestandsbau, denn „eine beschleunigte Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung ist mehr denn je klimapolitisch geboten und wirtschaftspolitisch erforderlich“, wie auch er betonte. In Bezug auf Wärme werden eher kleinere und schnelle Lösungen benötigt. Chance und Alternative sieht er in der Wärmepumpe. In der derzeitigen Krisensituation, wo keiner weiß, wie sich die Preise weiterentwickeln, sei diese Technologie durchaus attraktiv, wie er an einem Bilanzmodell sichtbar machte. Im Neubaubereich zeige sich dies an den Installationszahlen.
 

Um im Bestandsbau den Energieverbrauch zu senken, mache die Hybridisierung von Bestandsanlagen den größten Sinn, schilderte der Energieexperte. Die Nachrüstung einer bestehenden Heizungsanlage mit einer Wärmepumpe sei deutlich schneller. In Kombination mit einer Photovoltaikanlage liegen mit der Optionalität zweier Systeme auch die Vorteile der Versorgungssicherheit auf der Hand. Es gibt auch regulatorische Gründe, warum sich eine PV-Anlage lohnt: Für Bestandsimmobilien in Privatbesitz biete das „Osterpaket“ der Bundesregierung Fördermöglichkeiten. Er nannte dabei auch attraktive Geschäftsmodelle wie den Verkauf von Strom an Dritte, ein interessanter Aspekt für die Wohnungswirtschaft beispielsweise.

Im Zeitverlauf stark volatile Einflussgrößen wie Wetter, Energiepreise aber auch Nutzerverhalten erfordern eine Planung auf Basis von Zeitreihen, um gegenseitige Wechselwirkungen und Rückkopplungen auf z. B. die Stromnetze zu berücksichtigen. Leider seien die erforderlichen Daten im Bestand oft nicht vorhanden, bemängelte Dr. Macke. Gerade auch für einen optimierten Betrieb seien entsprechende Daten essentiell. Bei der Planung von Anlagen sollte daher Wert auf eine hochaufgelöste Mess- und Verbrauchsdatenerfassung gelegt werden.

Dr. Reinhold Kassing, Geschäftsführer des Verbands Kommunaler Unternehmen e. V. Landesgruppe Niedersachsen/Bremen, beleuchtete die Herausforderungen und Chancen für die kommunale Energiewirtschaft in den aktuellen, schwierigen Zeiten. Der Referent ging insbesondere auf den Krieg in der Ukraine ein, der eine Verschiebung im energiewirtschaftlichen Dreieck zur Folge habe. Neben der Wirtschaftlichkeit und der Umweltverträglichkeit rücke durch die politischen Entwicklungen zunehmend die Versorgungssicherheit in den Fokus.
 

Obwohl die Energieversorgung derzeit vollständig intakt sei, bestehe bei der kohle- und erdgasbasierten Energieversorgung ein erhöhtes Risiko aufgrund nicht substituierbarer russischer Lieferungen, die bislang rund die Hälfte des Verbrauchs ausmachen. Mittel- und langfristig sei ein Ersatz russischer Kohle vollumfänglich möglich, dringend notwendig seien jedoch Alternativen, die aktuell eruiert werden. Die Bundesnetzagentur sehe aktuell keine akute Gefahr einer Gasmangellage, ein Lieferstopp werde allerdings nicht ausgeschlossen. Der von den Märkten seit Beginn des Ukraine-Krieges antizipierte Versorgungsengpass und die damit verbundene Unsicherheit lösen massive Preisschwankungen aus, woraus für Energieversorgungsunternehmen erhebliche Liquiditätsbedarfe erwachsen.

Der Referent forderte die Vorbereitung einer Preis- bzw. Marktregulierung im Falle eines Lieferstopps und eskalierender Preise, die Gewährung von Liquidität sowie die Abschirmung kommunaler Unternehmen. Mit Blick in die Zukunft stelle das aktuelle „dritte Zeitalter der Gaswirtschaft“ – nach Kohlegas und Erdgas – eine Chance für den schnellen Ausbau von Wasserstoff dar. Die Frage, wie die Energiewende gelingen kann, beantwortete Dr. Kassing mit einer Forderung nach gasförmigen Energieträgern. Gasnetze müssen wasserstofffähig werden, betonte er, denn mit den bestehenden Gasleitungen läge die Infrastruktur praktisch vor, kostenintensive Tiefbaumaßnahmen entfielen. Das Gasnetz biete also schon heute die besten Voraussetzungen für die Aufnahme von nicht nur klimaneutralem, sondern in einer Übergangszeit durchaus auch grauem und aus Abfall gewonnenem Wasserstoff, erklärte er. Hier kritisierte er demnach die Widerstände bei der Bundesnetzagentur, deren politischer Wille es sei, ausschließlich grünen Wasserstoff in die vorhandenen Leistungssysteme einzuspeisen. Zudem seien die Einbindung klimaneutral erzeugter Gase am Wärmemarkt sowie die Option der saisonalen Speicherung wichtige Bausteine.

Prof. Dr.-Ing. Martin Pfeiffer von der Hochschule Hannover beleuchtete die aktuelle Gebäudeenergiesituation für Ingenieur:innen und gab dabei einen Ausblick auf die geplante Novellierung des Gebäudeenergiegesetz (GEG). Das Energieeinsparrecht und die energetischen Anforderungen an Gebäude stellen einen wichtigen Baustein zur Erreichung der energie- und klimapolitischen Ziele dar. Professor Pfeiffer hob verschiedene Abschnitte des GEG hervor, unter anderem die Nutzung erneuerbarer Energien zur Deckung des Wärme- und Kältebedarfs, und kritisierte das Aufweichen der Ausstellungsberechtigung für Energieausweise.
 

Darüber hinaus ermögliche eine befristete Innovationsklausel im GEG, dass bis Ende 2025 die Einhaltung der energetischen Anforderungen über eine gemeinsame Erfüllung im Quartier sichergestellt werden kann. Zusammen mit der Möglichkeit von Vereinbarungen über eine gemeinsame Wärmeversorgung im Quartier werden daher zukünftig quartiersbezogene Konzepte gestärkt.

Der Referent thematisierte des Weiteren die Änderungsvorhaben im GEG laut des Koalitionsvertrages, unter anderem die verstärkte Betrachtung von Grauer Energie und der Kreislaufwirtschaft in der Baubranche. Auch die CO2-Emissionen von Gebäuden rücken in Zukunft stärker in den Fokus. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels, der steigenden Komplexität des Planens und Bauens sowie der steigenden Planungs-, Bau- und Fördermittelanforderungen empfahl Professor Pfeiffer abschließend die Einrichtung eines Fachregisters mit der Zertifizierung von „Prüfingenieuren für Energieeffizienz“ und stärkere Kontrollinstanzen in Planung und Ausführung.

Der Energietag hat auch in diesem Jahr sein Ziel erreicht: Mit einem spannenden Informationsprogramm bot er vor allem ein Diskussionsforum für den intensiven Austausch mit den Referenten. Wir sagen Danke an alle Beteiligten, die mit ihren Beiträgen zu einer interessanten Veranstaltung beigetragen haben.

Fotos: © Ingenieurkammer Niedersachsen

 

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