Planen und Bauen
Öffentliches Baurecht
„Gut geplant ist halb gebaut“ – dieses Motto bewahrheitet sich in der Praxis immer wieder. Ob im Wohnungsbau, bei Geschäftsbauten und Industriebau, bei der Verkehrsplanung und Sanierung wirken Ingenieurinnen und Ingenieure bei der Planung und bei der Ausführung mit. Das Recht zu bauen ist als Eigentumsrecht in der Verfassung verankert. Aber nicht überall darf nach eigener Einschätzung gebaut werden - das Baurecht liefert strikte Vorgaben. Die Frage, wo gebaut werden darf, richtet sich nach dem Bundesbaugesetz und der Baunutzungsverordnung, man spricht in diesem Zusammenhang vom Planungsrecht oder Stadtplanungsrecht.
Mindestens ebenso wichtig für Bauherrn und Eigentümer ist die Frage, wie ein Grundstück bebaut werden darf. Diese beantwortet das Bauordnungsrecht. Während das Bauplanungsrecht bundesgesetzlich geregelt ist, ist das Bauordnungsrecht den Bundesländern vorbehalten. Zur Vereinheitlichung der Verfahren wurde die Musterbauordnung erlassen, die von der Bauministerkonferenz der Länder fortgeschrieben wird. Dort werden fortlaufend Mustererlasse und Planungshilfen zur Verfügung gestellt.
Im Rahmen des Bauordnungsrechts (früher „Baupolizeirecht“) gibt in Niedersachsen die Niedersächsische Bauordnung (NBauO) die rechtlichen Vorgaben, nebst weiteren zahlreichen Vorschriften. Die NBauO trat erstmalig am 1.1.1974 in Kraft. Sie ist vielfach geändert und neu verabschiedet worden. Die letzte Neufassung erfolgte am 3. April 2012, auch diese ist bereits mehrfach geändert worden.
Die NBauO gilt für bauliche Anlagen, Bauprodukte und Baumaßnahmen. Bauliche Anlagen sind aber nicht nur Gebäude und Wohngebäude, sondern zum Beispiel auch ortsfeste Feuerstätten, Werbeanlagen, Gerüste, Lagerplätze, Stellplätze und Sportplätze. Gebäude sind in fünf Gebäudeklassen eingeteilt. Die Definitionen im Einzelnen ergeben sich aus § 2 NBauO. Alle baulichen Anlagen müssen so angeordnet, beschaffen und für ihre Benutzung geeignet sein, dass die öffentliche Sicherheit nicht gefährdet wird. Sie müssen den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse entsprechen.
Auch Abbruch, Nutzungsänderung oder Beseitigung können Baumaßnahmen darstellen und sind unter Umständen genehmigungspflichtig. Baumaßnahmen bedürfen der Baugenehmigung – also der Genehmigung durch die zuständige Bauaufsichtsbehörde, es sei denn, durch die NBauO ist etwas anderes bestimmt:
- Die genehmigungsfreien Baumaßnahmen ergeben sich aus § 62 NBauO. Dieses Verfahren wird auch „Mitteilungsverfahren nach § 62 NBauO“ genannt.
- Genehmigungsfreiheit § 60 NBauO (verfahrensfreie Baumaßnahmen, Abbruchanzeige) - hier besteht ein umfangreicher Katalog, der im Anhang § 62 NBauO niedergelegt ist.
- Der Grundsatz, dass bauliche Anlagen der öffentlichen Sicherheit entsprechen müssen und die Bestimmungen des Baurechts eingehalten werden, gilt aber auch für genehmigungsfreie Maßnahmen.
Die Baugenehmigungsverfahren werden in § 63 (sog. vereinfachtes Baugenehmigungsverfahren) und § 64 NBauO geregelt. Für die unterschiedlichen Bauverfahren sind entsprechende Formulare zu benutzen, die die zuständigen Bauämter auch online zur Verfügung stellen. Weitere wichtige Vorschriften sind unter anderem die Bauvorlagen-Verordnung, die Baugebührenordnung sowie die Versammlungsstättenverordnung.
Verantwortliche Personen
Die NBauO legt in §§ 52ff. fest, welche Personen verantwortlich für die Baumaßnahme, das Grundstück und die Ausführung sind:
- Bauherrin und Bauherr
- Entwurfsverfasserinnen und Entwurfsverfasser
- Unternehmerinnen und Unternehmer
- Bauleiterin und Bauleiter
Verantwortlich für den Zustand der Anlage und des Grundstücks ist die Eigentümerin oder der Eigentümer.
Für alle Baumaßnahmen, die nicht unter § 60 oder § 62 NBauO fallen, ist bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde vor Baubeginn die Baugenehmigung einzuholen. In Niedersachsen sind weite Teile von der Baugenehmigung freigestellt. In diesen Fällen übernimmt der Entwurfsverfasser oder die Entwurfsverfasserin allein die Bauverantwortung, dass das Bauvorhaben dem öffentlichen Baurecht entspricht.
Für Bauherrn ist es daher sehr wichtig, verantwortungsbewusste und fachkundige Personen als Entwurfsverfasser zu beauftragen. Nur Mitglieder der Ingenieurkammer unterliegen den Berufspflichten und unterstehen der Aufsicht durch die Ingenieurkammer. Dabei ist die Verpflichtung zur Fortbildung und zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung für den Bauherrn wichtig. Nur wenn neben der Entwurfsverfasser Qualifikation auch die Mitgliedschaft in der Ingenieurkammer gegeben ist, können sich die Betroffenen an die Ingenieurkammer wenden. Nur bei Kammermitgliedschaft können bei der Ingenieurkammer Schlichtungsverfahren durchgeführt werden, sollte es zu Problemen kommen. Geeignete fachkundige Entwurfsverfasserinnen und Entwurfsverfasser finden Sie auf der Ingenieursuche online.
Privates Baurecht
In der Regel liegt den Vertragsbeziehungen zwischen der Ingenieurin bzw. dem Ingenieur und dem Bauherrn ein Werkvertrag zugrunde. Zu Beginn des Jahres 2018 wurde das Werkvertragsrecht im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geändert. Erstmalig wurde der „Architekten-und Ingenieurvertrag“ verankert, diese Regelungen ergänzen das allgemeine Werkvertragsrecht. Der Vertrag kann, bis auf wenige Ausnahmen, zwar mündlich geschlossen werden. Es empfiehlt sich aber dringend, die wesentlichen Eckpunkte schriftlich festzulegen. Für die Vergütung gilt bei Ingenieurleistungen die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI);
Die Ingenieurkammer bietet fortlaufend Seminare im Bereich des öffentlichen und privaten Baurechts an.