Berufsrecht der Ingenieure
Berufsbezeichnung und Berufspflichten
Das Berufsrecht der Ingenieurinnen und Ingenieure ist zunächst geprägt durch die Berufsbezeichnung. Bei der Berufsbezeichnung „Ingenieurin“ oder „Ingenieur“ handelt sich um eine gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung, ebenso wie die Berufsbezeichnung "Beratende Ingenieurin" oder "Beratender Ingenieur". Die Ingenieurkammer Niedersachsen ist die zuständige Stelle für das berechtigte Führen der Berufsbezeichnung.
Wie für jeden Berufsstand bestehen auch für Ingenieurinnen und Ingenieure Berufspflichten. Zu beachten ist allerdings, dass mit der Berufsbezeichnung nicht automatisch eine Kammermitgliedschaft verbunden ist, anders als dies bei Architektinnen und Architekten der Fall ist. Die Berufsbezeichnung "Beratende Ingenieurin" oder "Beratender Ingenieur" darf jedoch nur geführt werden, wenn eine entsprechende Eintragung in einer Ingenieurkammer vorliegt, die mit einer Kammermitgliedschaft verbunden ist. Beratende Ingenieurerinnen und Ingenieure sind in die entsprechenden Listen der Ingenieurkammern eingetragen und Pflichtmitglied der jeweiligen Ingenieurkammer.
Berufspflichten in dem Sinne, dass sie auch von der berufsständischen Kammer überwacht werden, gelten nur für Kammermitglieder. Die Berufspflichten sind im Niedersächsischen Ingenieurgesetz festgeschrieben. Kammermitglieder sind verpflichtet zur
- Fortbildung.
- Wahrung der berechtigten Interessen der Auftraggeber.
- Beachtung des Schutzes von Leben und Gesundheit sowie bedeutender Sachwerte Dritter sowie des Umweltschutzes.
- kollegialen Zusammenarbeit.
- Beachtung der Regelungen eines fairen Wettbewerbs.
- Im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit dürfen nur solche Unterlagen unterschrieben werden, die von Kammermitgliedern selbst oder unter ihrer Leitung oder Verantwortung gefertigt wurden.
- Im Falle der eigenverantwortlichen Tätigkeit für andere müssen sich Kammermitglieder gegen Haftpflichtgefahren, die sich aus der ausschließlichen Wahrnehmung von Berufsaufgaben ergeben, entsprechend dem Umfang und der Art der ausgeübten Berufstätigkeiten versichern.
Beratende Ingenieurinnen und Ingenieure sind unabhängig und freiberuflich tätig. Sie dürfen insbesondere keine eigenen oder fremden Produktions-, Handels- oder Lieferinteressen, die unmittelbar oder mittelbar im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit stehen, verfolgen und keine Rabatte oder Provision oder sonstige Vergünstigungen für sich, für ihre Angehörigen oder Mitarbeiter annehmen oder sich versprechen lassen, wenn diese im Zusammenhang mit der Berufstätigkeit angeboten werden. Sie unterliegen in jedem Fall der Verpflichtung, eine angemessene Berufshaftpflichtversicherung abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Dies wird bei Eintragung in die Liste der Beratenden Ingenieurinnen und Ingenieure bereits geprüft.
Leitlinie zur Auslegung von Berufspflichten
Die Vertreterversammlung der Ingenieurkammer hat vor einigen Jahren eine Leitlinie zur Auslegung von Berufspflichten erlassen. Dieser ist eine Präambel sowie ein Ingenieurgelöbnis vorangestellt:
Präambel
Ingenieurinnen und Ingenieure üben einen Beruf aus, der ihnen eine hohe fachliche und ethische Verantwortung gegenüber ihren Mitmenschen und deren natürlichen Existenzgrundlagen - ihrer Umwelt - auferlegt.
Fachliche Qualifikation, charakterliche Integrität und die Bereitschaft, dem Gedeihen von Menschen und Natur zu dienen, sind Forderungen, die die Ingenieurkammer Niedersachsen an ihre Mitglieder stellt.
Um diese Forderungen zu erfüllen, werden die Mitglieder der Ingenieurkammer Niedersachsen angehalten,
- sich vorbildlich zu verhalten,
- sich staatsbürgerlich zu engagieren,
- das Berufsethos zu pflegen,
- sich fachlich fortzubilden und
- mit dem erworbenen Leistungsvermögen der Allgemeinheit zu dienen.
Dies vorausgeschickt, verpflichten sich die Ingenieurinnen und Ingenieure mit ihrem Eintritt in die Ingenieurkammer Niedersachsen zu nachstehend aufgeführtem Gelöbnis:
Ingenieur-Gelöbnis
Ich gelobe, meinen Beruf in den Dienst von Mensch und Umwelt zu stellen.
Ich werde meinen Beruf mit Gewissenhaftigkeit und Würde ausüben. Der Schutz des Menschen und der Umwelt soll oberstes Gebot meines Handelns sein. Ich werde berufliche Handlungen unterlassen, wenn erkennbar ist, dass deren Folgen dieses Gebot jetzt oder in Zukunft verletzen können.
Ich werde mit allen meinen Kräften die Ehre des Ingenieurberufes und die Überlieferung der Ingenieurkunst aufrechterhalten und mich zu aller Nutzen fortbilden. Ich verpflichte mich zur wahrheitsgetreuen Information über meine berufliche Qualifikation sowie über Chancen und Risiken meines beruflichen Handelns.
Dies alles gelobe ich feierlich bei meiner Ehre.
Berufspflicht Fortbildung
Die Berufspflicht zur Fortbildung ist ebenfalls im Gesetz niedergelegt. Die Vertreterversammlung der Ingenieurkammer hat eine Fortbildungssatzung beschlossen. Danach haben sich Kammermitglieder im Umfang von mindestens 16 Fortbildungseinheiten (á 45 Minuten) binnen zwei Jahren (Fortbildungszeitraum) fortzubilden. Je Fortbildungseinheit erhalten die Fortbildungsverpflichteten einen Fortbildungspunkt. Die Kammermitglieder sind grundsätzlich frei in der Wahl der Fortbildungsmaßnahmen; für den Nachweis der im Fortbildungszeitraum notwendigen 16 Fortbildungspunkte bedarf es der Anerkennung von Fortbildungsmaßnahmen externer Anbieter. Als Fortbildungsnachweis können auch Veröffentlichungen von wissenschaftlichen Arbeiten oder Fachaufsätzen angesehen werden.
Ständige Fortbildung ist auch im Bereich des Ingenieurvertragsrechts erforderlich. Ingenieurinnen und Ingenieure sind auf ihrem Gebiet fachliche Experten, die einen Wissensvorsprung gegenüber ihren Vertragspartnern haben. Das neue Werkvertragsrecht hat zum 1. Januar 2018 erstmals im Rahmen der Architekten- und Ingenieurverträge in gewisser Weise darauf Rücksicht genommen und legt den Ingenieurinnen und Ingenieuren umfangreiche Hinweis- und Beratungspflichten auf. Zum Berufsrecht des Berufsstandes gehört auch, sich der Verantwortung zu stellen und die aufgezeigten Berufspflichten einzuhalten.
Die Ingenieurkammer bietet neben praxisorientierten Seminaren fortlaufend Veranstaltungen zu den Themen Verantwortung, Ethik und Qualitätssicherung an und führt die Diskussion mit ihren Kammermitgliedern und Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Zum Ingenieur(vertrags)recht gehört auch eine faire und angemessene Vergütung. An dieser Stelle ist die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure – HOAI – von Relevanz. Sie ist gesetzlich verbindliches Preisrecht und bindet somit sowohl Auftraggeber als auch Auftragnehmer.
Für Anregungen und Fragen stehen wir Ihnen gern zur Verfügung.