Wahlprüfsteine
Prüfsteine der Ingenieurkammer Niedersachsen zur Wahl zum Niedersächsischen Landtag 2022
Am 9. Oktober 2022 wählen die Bürgerinnen und Bürger Niedersachsens einen neuen Landtag. Als Landesparlament verabschiedet der Niedersächsische Landtag Gesetze und schafft so auch wichtige Grundlagen für die Ausübung des Ingenieurberufs in ganz Niedersachsen.
Die Ingenieurkammer möchte in diesem Papier ihren Mitgliedern, den demokratischen Parteien und ihren Kandidatinnen und Kandidaten Anregungen und Diskussionsgrundlagen für politische Vorhaben und Wahlprogramme geben. Sie empfiehlt ihren Mitgliedern ferner, die im Wahlkampf dargelegten Standpunkte und Argumentationen der Parteien und ihrer Kandidatinnen und Kandidaten anhand der folgenden, auf die Berufspolitik der Ingenieurinnen und Ingenieure gerichteten Wahlprüfsteine zu beurteilen.
Unsere Wahlprüfsteine
Freie Berufe: Beteiligung an öffentlichen Diskussionen und Entscheidungen verstärken
Selbständig und freiberuflich tätige Ingenieurinnen und Ingenieure sind eine starke Wirtschaftskraft in Niedersachsen. Eine intensive Beteiligung an den öffentlichen Diskussionen und Entscheidungen in Politik und Wirtschaft ist unabdingbar. Von bundesweit mehr als 509.000 selbständig tätigen Ingenieurinnen und Ingenieuren sind mehr als 61.000 (ca.12 Prozent) allein im Bundesland Niedersachsen tätig und erwirtschaften einen Jahresumsatz von zzt. etwa 8,5 Mrd. Euro. Rund 22.000 Ingenieurbüros unterschiedlicher Fachrichtungen mit typisch mittelständischer Struktur beschäftigen im Schnitt etwa 6,3 Angestellte pro Büro. (ausgehend von Ingenieurstatistik Bundesingenieurkammer 2019)
- Politische Entscheidungen zu technisch relevanten und gesellschaftlichen Fragen zügig und mit der Fachexpertise von Ingenieurinnen und Ingenieuren treffen.
- Den Berufsstand stärken und den Handlungsrahmen für Ingenieurinnen und Ingenieure gewährleisten.
Ingenieurinnen und Ingenieure mit Innovations- und Wirtschaftskraft für Niedersachsen
Der Ingenieurberufsstand ist für den Innovationsstandort Niedersachsen unverzichtbar. Er ist verantwortlich für die Sicherheit unserer Projekte, Bauwerke und gesamte Infrastruktur und spielt eine Schlüsselrolle bei der Bewältigung aller Zukunftsaufgaben sowie dem Klimaschutz. Er steht für Sicherheit und Verantwortung, ist bedeutende und wichtige Stütze unserer Gesellschaft.
Ingenieurinnen und Ingenieure sind Garanten des technischen Fortschritts. Sie schaffen technische Lösungen für Daseinsvorsorge und wirtschaftlichen Wohlstand und treiben Klima- und Umweltschutz mit globalem und regionalem Bezug voran. Damit leisten sie einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung der Gesellschaft. Und sie schaffen Sicherheit. Hochwertige Ingenieurleistungen sind elementar in einer funktionierenden Gesellschaft. Ein Kulturberuf mit Anspruch auf Wertschätzung. Die Rolle, die den niedersächsischen Ingenieurinnen und Ingenieuren von einer politischen Kraft eingeräumt wird, ist damit letztlich ein bedeutender Gradmesser für die Innovationsfähigkeit unseres Bundeslandes. Diese Relevanz für den Entwicklungs- und Zukunftsstandort Niedersachsen ist öffentlich anzuerkennen und zu benennen.
- Sicherstellung qualifizierter Berufsausübung: Maßnahmen, die die Sicherheit und Ordnung und den Klima- und Umweltschutz betreffen, dürfen nur von nachweislich qualifizierten Ingenieurinnen und Ingenieuren aus Gründen der Qualitätssicherung ausgeübt werden.
- Der innovationstragende Berufsstand der Ingenieurinnen und Ingenieure ist im Interesse seiner gesellschaftlichen Verantwortung politisch sowie wirtschaftlich zu stärken.
Berufsständische Selbstverwaltung stärken
Das öffentliche Interesse an der Qualitätssicherung der Ingenieurleistung und am Verbraucherschutz erfordert den Einsatz als fachkompetente Instanz mittelbarer Staatsverwaltung. Die öffentlichrechtliche Einbindung in die Selbstverwaltung ist die Voraussetzung für die Gewährleistung der Qualitätssicherung durch den Berufsstand. Die Qualitätssicherung bei der Leistungserbringung kann kompetent und zuverlässig nur durch die berufsständische Selbstverwaltung erfolgen.
Um die besondere Rolle des Ingenieurberufsstandes für den Innovationsstandort Niedersachsen zu erhalten, seine Wirtschaftskraft zu sichern und seine Verantwortung im öffentlichen Interesse zu stärken, sind die Qualitätssicherung der Ingenieurleistung und der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher wie auch der Auftraggebenden durch die Instrumente der Selbstverwaltung politisch weiter zu stärken.
Entbürokratisierung und der Abbau von Genehmigungsvorbehalten und anderen Investitionshemmnissen müssen dabei einhergehen mit geeigneten Berufsrechtsvorbehalten und anderen qualitätssichernden Maßnahmen der Ingenieurkammer als berufsständische Selbstverwaltung mit fachlicher Kompetenz. Gleichzeitig eröffnen sich so weitere Gestaltungsräume für die Politik zur Übertragung öffentlicher Aufgaben auf Berufsträger, die unter der Aufsicht der mittelbaren Staatsverwaltung stehen.
- Qualitätssicherung und effektive Gefahrenabwehr zum Schutz der Auftraggebenden und der Verbraucherinnen und Verbraucher durch die Instrumente der Selbstverwaltung politisch weiter stärken.
- Die Ausübung sicherheitsrelevanter Ingenieurleistungen kann alleinig nur durch qualifizierte Ingenieurinnen und Ingenieure erfolgen.
- Berufsrechtsvorbehalte und andere qualitätssichernde Maßnahmen durch die Ingenieurkammer als berufsständische Selbstverwaltung mit fachlicher Kompetenz voranbringen.
- Entbürokratisierung und der Abbau von Genehmigungsvorbehalten und anderen Investitionshemmnissen kann nur mit geeigneten Berufsrechtsvorbehalten für die Dienstleistungserbringenden erfolgen.
Planungsqualität gewährleisten
Ingenieurinnen und Ingenieure tragen besondere Verantwortung gegenüber Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Sie stellen der Gesellschaft qualitätsorientierte und qualitätssichernde Ingenieurleistungen zur Verfügung. Innovation muss ebenso von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft verantwortet werden.
Freiberuflich tätige Ingenieurinnen und Ingenieure werden unabhängig von Handels-, Liefer- und Produktionsinteressen tätig. Sie planen, beraten und begutachten technische Vorhaben und vertreten dabei kein gewerbliches Interesse. Sie stellen technisches Spezialwissen und berufliche Erfahrung uneingeschränkt in den Dienst ihres Auftraggebers, schaffen so eine besondere Vertrauensbasis und überbrücken die zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer bestehende Wissensasymmetrie. Dies ist nur möglich, weil sich diese besondere Berufsgruppe ihrer Verantwortung für Sicherheit, Ressourcen- und Investitionsschutz und den Schutz weiterer herausragender Rechtsgüter stellt und dem Gemeinwohl dabei besonders verpflichtet ist.
Durch die konsequente Trennung von Planung und Ausführung nehmen die Vertreterinnen und Vertreter der Planenden Freien Berufe eine wichtige Rolle mit hohem Stellenwert im Gefüge von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik ein und tragen als unabhängiges Regulativ effektiv zur Entlastung des Staates bei Wahrnehmung seiner Aufgaben bei. Sie tragen zur Optimierung der Projekte unter Berücksichtigung komplexester Anforderungen bei. Daher eignet sich die Zielgruppe auch zur Wahrnehmung weiterer Aufgaben, die dann unter mittelbarer Staatsaufsicht wahrgenommen werden.
Eine hohe Planungsqualität schafft Vorteile für alle. Ebenso trägt eine starke fachliche Besetzung in den Verwaltungen dazu bei, Vergabeverfahren auch aus ingenieur- und bautechnischer Sicht zum Nutzen der Gesellschaft zu einem gelungenen Bauprojekt zu führen.
- Erfolgreiche mittelständische Strukturen fördern und stärken.
- Konsequente Trennung von Planung und Ausführung einhalten.
- Angemessene Honorierung für qualitätsorientiertes Bauen gewährleisten.
- Fachliche Besetzung in den Verwaltungen sicherstellen.
Fairer Wettbewerb und mittelstandsfreundliche Vergabe für freiberufliche Leistungen
Selbständig tätige Ingenieurinnen und Ingenieure sind auf die Schaffung und den Erhalt geeigneter gesetzlicher Rahmenbedingungen angewiesen, um ihre Rolle in Wirtschaft und Gesellschaft ausfüllen zu können. Dazu gehört die kompetente Weiterentwicklung technischer Normen, die Sicherstellung eines fairen Wettbewerbs und die Stärkung des Subsidiaritätsprinzips, nach dem der Staat generell Zurückhaltung bei der wirtschaftlichen Betätigung zu üben hat.
Kommunen und das Land dürfen sich nicht über privatisierte Einrichtungen in Wettbewerb mit Privaten begeben. Solche Wettbewerbsverzerrungen sind zu vermeiden. Sie führen zu einem unfairen Wettbewerb, wenn die öffentliche Hand per se im privaten Dienstleistungssektor tätig ist. Eine mittelstandsfreundliche Vergabepolitik muss fairen Wettbewerb gewähren und für die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips stehen.
- Die optimale Mittelstandspolitik muss den fairen Wettbewerb auf gesetzlicher Grundlage sicherstellen.
- Beauftragung unabhängiger Experten durch öffentliche Hand gewährleisten.
- Den Wettbewerb um die besten Planungsideen fördern – Eckpfeiler für eine echte Mittelstandspolitik und für fairen Wettbewerb in Niedersachsen.
Investitionen in Klima- und Umweltschutz
Unser Handeln beim Ausbau der Versorgung mit erneuerbaren Energien ist dringender denn je. Auch vor dem Hintergrund der Energieknappheit und steigender Kosten müssen wir die Energieeffizienz und den Klimaschutz im Bausektor extrem beschleunigen. Denn der Bausektor weist mit rund 40 Prozent CO2-Emissionen einen nach wie vor deutlich zu hohen Energie- und Ressourcenverbrauch aus. Klimaangepasstes Bauen ist Gebot wie auch die Suche nach neuen Lösungsansätzen, um den Energieverbrauch zu senken und Ressourcen zu schonen.
Wir brauchen innovative (Energie-) Lösungen in einer ganzen Bandbreite, denn wir stehen vor ambitionierten Zielen: Bis 2050 will Deutschland klimaneutral werden. Energieeffiziente Gebäude, intelligente Energiesysteme und Gebäudekonzepte spielen für eine gesicherte Energieversorgung eine Schlüsselrolle ebenso wie politische Rahmenbedingungen und Förderprogramme.
- Klimaziele im Bausektor forcieren und CO2-Verbrauch zügig unter wirtschaftlichen Aspekten senken.
- Zielvorgabe für die Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen einhalten.
- Nachhaltigkeit im Bausektor durch Forschung stärken und Kreislaufwirtschaft fördern.
- Planungsprozesse zur Schaffung rechtssicherer gesetzlicher Rahmenbedingungen für Investitionen beschleunigen, gerade auch im Klimaschutz.
- Rechtliche Hürden für die Umbaukultur reduzieren: Bestandsbauten und Ressourcenschonung in den Mittelpunkt stellen – Bauordnungen anpassen und Umbauordnungen schaffen.
- Niedersachsen sollte bei Gesetzesinitiativen des Landes bundesweite Impulse auf Länderebene setzen.
- Investitionen in den Klimaschutz stärken und im Bereich der Fördermaßnahmen ausreichend Anreize für private Investitionen schaffen.
- Förderprogramme auf ihre Wirkungskraft hin prüfen.
Investitionen in Digitalisierung und Infrastrukturen beschleunigen
Kompetente Investitionen der öffentlichen Hand und kompetente Förderung privater Investitionstätigkeit erfordern einen Fokus auf innovative technische Projekte.
Da Innovationen in aller Regel technische Entwicklungen beinhalten, muss der Fokus von Investitionspolitik stets auf die technischen Aspekte eines Projekts gerichtet sein. Zu wichtigen Förderbereichen zählen der Breitbandausbau, die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur und die Nachhaltigkeit und Energieeffizienz im Bausektor. Die Politik muss jetzt konkrete technische Projekte bei Vorhaben von Investitionen der öffentlichen Hand und bei Plänen zur Investitionsförderung fokussieren.
- Den ländlichen Raum stärken.
- Die Investitionen im Bereich von Landesbauten erhöhen.
- Den Ausbau intelligenter moderner Versorgungssysteme beschleunigen.
Innovationsstandort sichern: Qualität und Quantität in den Hochschulausbildungen gewährleisten
MINT-Berufe tragen mit ihren Schlüsselqualifikationen wesentlich zur Bewältigung der Zukunftsaufgaben bei. Der Fachkräftemangel im ingenieurwissenschaftlichen und -technischen Bereich ist anhaltend hoch. Er wird sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen und ist damit eine dringende Herausforderung in Gegenwart und Zukunft.
Die Politik ist gefordert, Anreize für den Ingenieurnachwuchs sowie Studienkapazitäten zu schaffen, den Ausbau von Ingenieurstudiengängen zu fördern und durch gut ausgestattete Hochschulen Investitionen in Lehre und Forschung zu stärken. Sich rasant ändernde Arbeitswelten und steigende technologische Transformationsprozesse erfordern darüber hinaus neue Kompetenzen, die sich in praxisgerechten und zukunftsorientierten Studiengängen (Umwelt und Digitalisierung) wiederfinden müssen.
- Fachkräftemangel im ingenieurtechnischen Bereich sofort angehen.
- Ingenieurstudiengänge stärken und Studienkapazitäten ausbauen.
- Wettbewerbsfähigkeit durch qualitative Ausbildungen und hohen MINT-Anteil gewährleisten.
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