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Bericht vom Sachverständigentag 2018

Neue rechtliche Entwicklungen im Sachverständigenrecht, Perspektiven der außergerichtlichen Konfliktlösung am Bau und das Fachthema Siloschäden prägten den Sachverständigentag 2018.

Über 170 Anmeldungen hatten die Ingenieurkammer zu ihrem Sachverständigentag am 13. September erreicht. Bei bestem Sommerwetter tauschten sich die öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen mit Vertreterinnen und Vertretern der Rechtsanwaltschaft und der Gerichte aus.

In seinem Grußwort wies Präsident Hans-Ullrich Kammeyer auf die wichtige Zielsetzung des jährlich stattfindenden Sachverständigentag hin, die darin liegt, die an einem Gerichtsverfahren beteiligten Hauptakteure – Richter, Sachverständige und Rechtsanwälte – zusammenzubringen und durch diesen Austausch das Verständnis für die Arbeit und die Rolle des jeweils anderen Berufsträgers im Zivilprozess zu fördern. Er ging dabei auf die Bedürfnisse der Gerichte ein, die Gutachter mit sowohl Sachverstand für Technik und die rechtlichen Hintergründe benötigten.

Dabei sei auch stets zu bedenken, dass Juristen und Sachverständige nicht immer die gleiche Sprache sprechen. Kammeyer appellierte daher an seine Kolleginnen und Kollegen, die für Ingenieurinnen und Ingenieure selbstverständlichen Fakten so darzustellen, dass Laien sie nachvollziehen können.

Die Präsidentin des OLG Celle, Stefanie Otte, seit Juli im Amt, überbrachte Grüße auch des Justizministeriums und betonte, sie habe sich ein großes Ziel vorgenommen: die Kommunikation zwischen den am Gerichtsverfahren Beteiligten zu fördern und damit zur Qualitätssicherung von Gerichtsentscheidungen und somit auch zur besseren Akzeptanz von Gerichtsentscheidungen beizutragen. Sie griff die Vorschläge des Kammerpräsidenten dankbar auf und gab der Hoffnung Ausdruck, dass auch einmal ein gemeinsamer Sachverständigentag für Richter und Sachverständige ausgerichtet werden könne. Gerade mit Blick auf die Spezialisierung der Gerichte und der damit verbundenen Einrichtung von Baukammern sei eine gute und konstruktive Zusammenarbeit erforderlich, betonte sie.

Ihr schloss sich RA Lars Nerbel, Bonn, mit einem Überblick über die neuen Rechtsentwicklungen für die gerichtliche Gutachtertätigkeit an. Zu den Themen Bauteilöffnung im gerichtlichen Verfahren, Honoraransprüche des Gerichtsgutachters und Befangenheit des Sachverständigen stellte er neue Entwicklungen in der Rechtsprechung vor. Seine Fälle aus der gerichtlichen Praxis beleuchteten jeweils unterschiedliche Aspekte, die er zum Anschluss nahm, die anwesenden Sachverständigen vor allem darauf hinzuweisen, bei Unklarheiten im Beweisbeschluss oder zu Fragen der Umsetzung den Kontakt zum Gericht zu suchen. Die Kommunikation mit dem Gericht sei sehr wichtig, da die Weisungen des Gerichts für den Sachverständigen verbindlich sind. Aus seiner anwaltlichen Sicht betonte er, Gericht und Parteien verließen sich darauf, dass die Gerichtsgutachter nicht nur fachlich gesehen die erforderlichen Schritte durchführten, sondern auch die prozessualen Grundregeln einhielten. Unter diesem Gesichtspunkt bat er die anwesenden Richter, den Gerichtsgutachtern bei erbetener Kommunikation auch zur Verfügung zu stehen.

Bedauerlich sei, so RA Nerbel, dass die Gerichte zu Bauteilöffnungen sehr unterschiedliche Auffassungen vertreten. Dies mache es den Sachverständigen oft schwer, die gutachterliche Auftragsstellung durchzuführen.

Auch die Honorare und Vergütungen für Gerichtsgutachter waren Thema. Dazu führte RA Nerbel aus, dass diese gesetzlich durch das „Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz – JVEG“ festgelegt seien, diese Honorarsätze wirtschaftlich gesehen häufig nicht auskömmlich seien, wie er meinte. Er verwies auf eine Studie des VBI aus dem Jahr 2014, wonach angemessene Honorarsätze sich in einem Rahmen von 140-220 € bewegen müssten. Die Praxis zeige, dass sich die üblichen Honorarsätze für Sachverständige des Ingenieurwesens jedoch zwischen 60 und 80 € bewegten.

Durch den neu eingeführten § 8 a des JVEG könne es auch zu Streichungen des Honorars kommen, wenn das Gutachten nicht oder nur teilweise verwertet werden kann und der Gerichtsgutachter dafür verantwortlich sei, insbesondere dann, wenn er durch sein eigenes Verhalten dazu beigetragen hat, dass er als befangen abgelehnt werden musste, ergänzte so der Fachanwalt.

Zu dem Problem Befangenheit zeigte RA Nebel an Hand unterschiedlicher Gerichtsfälle auf, wie sehr der Sachverständige auch auf vermeintliche Kleinigkeiten zu achten hat. So kann beispielsweise die Verwendung des Begriffs „Gegenseite“ für eine der Prozessparteien die Besorgnis erwecken, dass der Gerichtsgutachter nicht mehr unvoreingenommen und objektiv tätig ist.

Nach der Pause, die durch intensive Gespräche geprägt war, stellte der Arbeitskreis Alternative Konfliktlösung ein Rollenspiel vor. In dem Arbeitskreis Alternative Konfliktlösung haben sich Ingenieurinnen und Ingenieure, Rechtsanwälte und Vertreterinnen und Vertreter von Kammern und Verbänden zusammengefunden, die ein Ziel eint: Die Möglichkeiten der außergerichtlichen Konfliktlösung bekannt zu machen und dafür zu werben, diese zu nutzen und so Verfahren vor den ordentlichen Gerichten zu vermeiden. Prädestiniert dafür sind die Sachverständigen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit sehr häufig hinzugezogen werden, meist aber erst dann, wenn Konflikte bereits ausgebrochen sind.

Im Rahmen eines kleinen Rollenspiels an Hand eines tatsächlichen Falles wurde vorgestellt, wie aus dem Vorhaben, ein Vorzeigeobjekt zu verwirklichen, trotz Einschaltens von Fachplanern und Sachverständigen ein Konflikt entstand, der dazu führte, dass sowohl den Bauherr als auch Planer nicht mehr miteinander reden konnten. Mit Folgen für alle: Die Baustelle stand still und der Bauherr, ein Autohausbesitzer, der zu einem bestimmten Termin die neue Modellreihe des Autokonzerns zusammen mit seinem repräsentativen Neubau vorstellen wollte, geriet in Panik ob der Terminlage.

Der Sachverständige nahm in dem Rollenspiel drei verschiedene Positionen ein und spielte die Möglichkeiten durch. Anstatt sich erstens darauf zurückzuziehen, dass er vertraglich nicht gebunden sei, weil es sich um eine Gefälligkeit handelt, könnte er zweitens auch in Aussicht stellen, eine technische Lösung auszuarbeiten, die im Ergebnis einen kompletten Rück- und Neubau der so sehr gewünschten Glaskuppel bedeutet hätte. Dies wäre für den Bauherrn aufgrund der Zeitverzögerung nicht hinnehmbar gewesen.

Lösungsorientiert unterbreitete der Sachverständige in seiner dritten Rolle einen konstruktiven Vorschlag dahingehend, Hilfe von außen in Anspruch zu nehmen und schlug eine Konfliktmoderation vor. Da, wo das Verhandeln nicht weiterführte, konnte das Gespräch mittels externer professioneller Unterstützung aufgenommen und fortgesetzt werden. Es gelang der hinzugezogenen Konfliktmoderatorin nicht nur, die Parteien an einen Tisch und zum Reden zu bringen, sondern auch, dass diese gemeinsam einen Kompromiss erarbeiteten. Der fachliche Beitrag des Sachverständigen führte dazu, dass das Projekt ohne Verzögerungen fertiggestellt und zum vereinbarten Termin präsentiert werden konnte.

Das Rollenspiel zeigte in lebhafter Weise, wie mit Konflikten umgegangen werden kann und dass es gut ist, sich Gedanken darüber zu machen, wie Gerichtsverfahren vermieden werden können, indem Wege der Kommunikation gesucht und im Sinne eines erfolgreichen Projekt- und Geschäftsabschlusses mit professioneller Unterstützung neu beschritten werden.

Praxisbezogen zeigte Dr.-Ing. Martin Kaldenhoff in seinem Vortrag zu Siloschäden zunächst einige technische Grundsätze im Silobau auf und ließ dann Anwendungsbeispiele folgen. An Hand sprechender Fotos und kurzer Videos führte er vor, wie Materialfehler in der Herstellung oder unsachgemäßer Transport dazu führen können, dass Mängel auftreten; mit durchaus fatalen Auswirkungen. Auch Bedienungsfehler und mangelndes Fachwissen bei Einsatzkräften, die in Gefahrensituationen gerufen werden, können verheerende Folgen haben, wie sein Beispiel eines konkreten Feuerwehreinsatzes zeigte.

Durch seinen launigen und kurzweiligen Vortrag verbunden mit Filmsequenzen z.B. über das Herbeiführen einer Staubexplosion hielt er die Zuhörerinnen und Zuhörer in seinem Bann und zeigte, dass sorgfältige Arbeit aller Beteiligten und regelmäßige Qualitätssicherung und -prüfung über die gesamte Lebensdauer des Bauwerks gerade auch in diesem gefahrträchtigen Bereich erforderlich sind.

Die begeisterte Aufnahme durch die Teilnehmenden und die positiven Resonanzen zeigten, dass die Ingenieurkammer in dem Bemühen, den Sachverständigen ein Forum zu geben, um sich auszutauschen und ins Gespräch mit Rechtsanwälten und Richtern zu kommen, genau richtig liegt.